Ein Soldat namens Werley
1769 – 1771
Die Entstehung eines Weinbergs auf dem Südhang des Potsdamer Klausberges geht vermutlich auf das Ansinnen eines Weinbauern und Grenadiers der preußischen Garde namens Werley zurück. Dieser hatte bereits 1768 Friedrich dem Großen den Vorschlag unterbreiten lassen, einen Weinberg nach rheinländischer Art einzurichten. Derart verzückt von dieser Idee, ließ der König eine Fläche von 211 x 53 Metern eingrenzen und versah diese eigens für die Obstzucht und den Weinbau mit drei verglasten Treibmauern. Die Verantwortung für das gesamte Areal übergab er Werley und ließ für ihn sogar am Rande des Weinbergs ein eigenes Wohnhaus errichten – das sogenannte Drachenhaus.
Point de vue und krönender Abschluss des Königlichen Weinbergs bildete das von Georg Christian Unger gestaltete und im Jahre 1771 fertiggestellte Belvedere – ein Gebäude, welches der „schönen Aussicht“ gewidmet ist.
Der Eckstein, der zum Grundstein wurde
1772 – 1795
Trotz Friedrichs Engagement blieben die Erträge des Weinbaus auf dem Klausberg hinter den Erwartungen zurück. Dennoch wollte der König seinen Traum vom Weinberg nicht aufgeben und betraute fortan seinen fähigen Hofgärtner Heinrich Christian Eckstein mit dieser Aufgabe. Dieser konnte deutlich größere Erfolge aufweisen und versorgte die königliche Tafel mit vorzüglichen Tafeltrauben, Pfirsichen, Azaroläpfeln und Aprikosen. Insbesondere die Obstspaliere an den Treibmauern waren so ertragreich, dass sich der König im Jahre 1785 dazu entschloss die Weinbergsanlage nach Westen erweitern zu lassen.
Als Eckstein 1795 pensioniert wurde, verfügte die Nutzgartenanlage auf dem Klausberg über 433 laufende Meter ältere und 292 laufende Meter neuere Mauern sowie eine Erdmauer.
Der Triumph über die Vision
1840 – 1860
Friedrich Wilhelm IV. gilt als der Romantiker unter den preußischen Monarchen. Schon als Kronprinz schwärmte er für die Kunst und die Architektur und ließ nach der Thronbesteigung im Jahre 1840 seinen Ideen zur Umgestaltung der Potsdamer Kulturlandschaft freien Lauf. Obenan stand seine Vision von einer „Via Triumphalis“, einer nördlich des Parks Sanssouci gelegenen, zwei Kilometer langen Höhen- und Triumphstraße, gesäumt von südländisch anmutenden Prachtbauten.
Für die Gestaltung des Klausbergs entwickelte der König gemeinsam mit dem Architekten Ludwig Persius die Idee einer Gartenanlage im Stile der italienischen Renaissance. Das Belvedere sollte dabei im Zentrum einer symmetrisch orientierten Terrassenanlage mit Wasserkaskaden und Brunnenanlagen stehen. Aus Kostengründen wurden die Pläne dieses Triumphstraßenprojektes jedoch nur in Fragmenten umgesetzt.
Pariser Chic in Preußens Gärten
1860 – 1888
Über die Grenzen von Frankreich hinweg hatten sich die Gärten von Montreuil vor den Toren von Paris einen exzellenten Ruf auf dem Gebiet der Pfirsichkultur erworben. Von hier stammte auch der Obstzüchter Alexis Lepère d. J., welcher im Jahre 1860 um die Gunst der Königin Augusta – der Gemahlin des späteren Kaisers Wilhelm I. – warb. Nach anfänglicher Zurückhaltung – zu kostspielig erschien ihr diese Art der Obstkultur – stimmte sie schließlich doch zu.
So entstanden im Sommer 1862 auf dem Königlichen Weinberg drei nach Süden offene Quartiere, deren Ausrichtung perfekt berechnet wurde, um eine optimale Sonneneinstrahlung zu gewährleisten. Die sogenannten Lepère’schen Mauern waren beidseitig mit Spalieren bekleidet und wurden in der Folge mit Pfirsichen, Birnen, Äpfeln und Reben bepflanzt.
Des Kaisers „neue Kleider“ auf dem Weinberg
1888 – 1918
Wie sein Großvater Wilhelm I. war auch der junge Kaiser Wilhelm II. besonders an der Fruchttreiberei interessiert. Daher investierte er in die damals modernste Obstzuchttechnik und befahl zwischen den Jahren 1895 und 1905 den Bau zweier großer Glashausanlagen mit Dampf- und Warmwasserheizung für die Kultur von Wein und Pfirsichen. Bis zum Ende der Monarchie wurden und in den Kaiserlichen Gewächshäusern vorzügliche Trauben gezogen.
Marmor, Stein und Eisen bricht
1918 – 1989
Nach der Abdankung des Kaisers und dem Ende der Monarchie verloren die königlichen Nutzgärtnereien ihre ursprüngliche Bestimmung, nämlich die Versorgung der kaiserlichen Tafel mit frischem Obst und Gemüse. Dennoch wurde die Fruchtkultur zunächst auf hohem Niveau weiterbetrieben. Zeitgenössische Presseberichte sprechen von „intensiv betriebenen Weinkulturen mit über 1.000 Rebstöcken“ auf dem Klausberg.
Die Folgen des Zweiten Weltkrieges ruinierten den Königlichen Weinberg endgültig. Das Belvedere auf dem Klausberg brannte in den letzten Kriegsmonaten nach einem Artilleriebeschuss vollständig aus und die Scheiben an den Talutmauern zerbarsten. Der Rest der Anlage verfiel im Laufe der Jahrzehnte.
Die Rückkehr von „Kaiser Wilhelm“
1990 – 2011
Nach der politischen „Wende“ 1989 geriet auch der Königliche Weinberg wieder in den Blick der öffentlichen Wahrnehmung. So finanzierte die Messerschmidt-Stiftung beispielsweise Ende der 1990er Jahre den Wiederaufbau des Belvederes. Gleichzeitig wurde damit begonnen die Lepère’schen Mauern im Rahmen der Bundesgartenschau in Potsdam 2001 wiederherzustellen und zu bepflanzen.
Aber erst die Partnerschaft zwischen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten und der Mosaik-Berlin gGmbH brachte im Jahre 2006 eine nachhaltige Perspektive für den Weinberg. Seither wurden mehr als 3.000 Rebstöcke sowie etwa 200 Obstbäume gepflanzt. Dabei bekamen die Gärtnerinnen und Gärtner immer wieder tatkräftige Unterstützung von prominenten Persönlichkeiten wie z.B. dem damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich.
Auch der Ur-Ur-Enkel des letzten deutschen Kaisers Georg Friedrich Prinz von Preußen pflanzte gemeinsam mit seiner Frau Sophie Prinzessin von Isenburg anlässlich ihrer Hochzeit am 27. August 2011 einen Apfelbaum auf dem Königlichen Weinberg – passend zum Anlass war es die Sorte „Kaiser Wilhelm“.
Der Weinberg lebt wieder
2012 – 2020
Die Vision der Rekultivierung und der Wiederherstellung begann zu leben. Bereits im Jahre 2012 konnte der erste Wein vom Königlichen Weinberg der Öffentlichkeit präsentiert werden. Ein solches Ereignis galt es natürlich zu feiern. Daher fand am 24. Juni das 1. Königliche Weinfest statt. Zwei Jahre später konnte mit dem „Regent“ sogar wieder ein Rotwein aus Potsdam genossen werden. Von dessen Qualitäten konnte sich sogar der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seinem Antrittsbesuch im Land Brandenburg überzeugen.
Möglich gemacht wurde die Rekultivierung des Königlichen Weinbergs auch und vor allem durch die zahlreichen Spender und Paten von Rebstöcken und Obstbäumen. Darüber hinaus konnte dank der Unterstützung des brandenburgischen Ministeriums für Landwirtschaft ein Teilstück der Talutmauern originalgetreu wiederhergestellt werden. Und auch der Lions Club Potsdam engagiert sich tatkräftig für dieses Projekt und vor allem für die Sanierung des historischen Heizhauses.
Im Jahre 2019 wurde dem Weinberg sogar eine ganz besondere Ehre zuteil. Im Rahmen einer ökumenischen Segensfeier erhielt er den interreligiösen Segen.